Eine
15-jährige Schülerin mit Oberbauchschmerzen
History
of Present Illness
Eine 15-jährige Schülerin mit seit 4 Jahren bestehenden
Oberbauchschmerzen kommt zur Aufnahme.
Die Schmerzen sind hauptsächlich periumbilikal lokalisiert.
Zusätzlich gibt die Patientin an seit einigen Jahren
eine Abneigung gegen fettige Speisen zu haben.
Kein Gewichtsverlust, kein Nachtschweiß, keine Stuhlunregelmäßigkeiten.
Sie berichtet über keine relevanten Vorerkrankungen und
nimmt bzw. nahm bisher keine Medikamente ein.
Systemic
Data:
St. p Nikotinabusus (1 pack year)
PMH: keine relevanten Erkrankungen
FHx: Vater, DMII
SHx: Schülerin
Review
of System:
GEN: guter AZ, leicht reduzierter EZ
CVS:
RESP:
GI: periumbilikal OB-Schmerzen
GU:
CNS
PSYCH:
EXTREM:
GYN/OB:
Physical
Exam:
VS: PR: 100/170 Temp : 37°C
PR : 64/min Resp : 16/min
43kg, 162cm
kein Ikterus, keine Zyanose, keine Trommelschlägelfinger,
keine Ödeme
HEENT:
MOUTH:
NECK:
SKIN:
LN’S:
LUNGS: Eupnoe, sonorer KS, keine Rasselgeräusche
CVS:
ABD: weich, Druckschmerz im mittleren Oberbauch ohne Ausstrahlung.
keinLoslassschmerz.
Leber 2 cm unter RiBo palpabel. keine Splenomegalie.
Darmgeräusche regelrecht über allen vier Quadranten.
NL keinKlopfschmerz.
RECTAL:
GENITAL:
EXTREM:
NEURO:
Labor:
Amylase 289 U/l (7-39)
Lipase 1695 U/l (11-46)
Sonographie
d. Abdomens:
Kalzifikationen im Pankreas, Milz vergrößert (14x4,5cm).
Feinschicht
CT des Pankreas:
Diskrete Erweiterung d. Duktus pankreaticus fokal betont im
Pankreasschwanzbereich. Im Pankreaskopfbereich Nachweiß
zweier linearer Strukturen.
Diagnose: Ductus pancreaticus accessorius SANTORINI, chronische
Pankreatitis.
ERCP:
Multiple Pankreasgangstenosen bei Pankreas divisum mit rez./chron
Pankreatitis.
Diagnose: Pankreas divisum.
Harnstreifen,
Schweißtest, Serologie, Immunologische Diagnostik, Stuhlkultur
alles o.B
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DISKUSSION
Vorgestellt wurde ein Fall einer sehr jungen Patientin mit chronischer,
rezidivierender Pankreatitis. Die unspezifische Symptomatik lässt
an verschiedene Differentialdiagnosen denken. Besonders das junge
Alter der Patientin sollte berücksichtigt werden. (Anmerkung:
Differentialdiagnosen wurden besprochen, darauf soll hier aber nicht
weiter eingegangen werden)
Bei
der Laboruntersuchung können wir eine Anstieg von Lipase und
Amylase nachweisen. Das lenkt unseren Verdacht sehr bald in Richtung
Pankreas Es soll erinnert werden, daß nur ein mindestens 3 facher
Anstieg für eine Pankreatitis beweisend ist. Diesen Befund haben
hier vorliegen.
Vergleicht
man Amylase und Lipase, so ist die Amylase einfacher, schneller
und billiger zu bestimmen, sie besitzt jedoch geringere Spezifität
(mehr falsch positive Ergebnisse). Die Lipase ist spezifischer und
sensitiver.
Die Unterscheidung „akute Pankreatitis“ und „akuter
Schub einer chronischen Pankreatitis“ ist nicht möglich.
Aus diesem Befund können wir jedoch noch keine endgültige
Diagnose stellen, wohl aber unsere Differentialdiagnose deutlich
in Richtung Pankreatitis verlagern.
Die
Informationen aus der Oberbauchsonographie (Kalzifikationen, Splenomegalie)
deuten ebenfalls in Richtung Pankreas. Durch Methodenkombination
kann die Spezifität der labortechnisch bestimmten Amylase/Lipase
auch deutlich höher angesetzt werden.
Wir
können daher die Frage nach dem Sitz der Pathologie weitgehend
beantworten und unsere Differentialdiagnose weiter einschränken.
„Welche
Pathologie des Pankreas erscheint uns am wahrscheinlichsten?“
Nach
Beurteilung bisher gesammelter Informationen schränken wir
unsere Differentialdiagnose auf wenige Möglichkeiten ein und
gewichten diese:
- 60%
chronische Pankreatitis mit rezidivierenden akuten Schüben
- 30% rezidivierende, akute Pankreatitis
- 10% Pankreaskarzinom, eventuell auch mit chron. Pankreatitis als
Folge.
Da
unsere Verdachtsdiagnosen mehrheitlich in Richtung Pankreatitis
gehen (insgesamt 90%) erscheint es sinnvoller, die Verdachtsdiagnose
zu bestätigen als andere, unwahrscheinliche Differentialdiagnosen
auszuschließen. Wir suchen daher eine Untersuchung mit hohem
positiv prädiktivem Wert für Pankreatitiden. Die Computertomographie
ist eine solche Untersuchung. Wir formulieren daher folgende Frage:
„Können
wir eine Pankreatitis bestätigen?“
Die
CT Untersuchung klärt diese Frage. Wir stellen daher die Diagnose
der chronischen Pankreatitis. An dieser Stelle interessiert uns
die Ursache der Pankreatits bei dieser Patientin. Wir stellen uns
die Frage:
„Welche
Hinweise auf eine mögliche Ätiologie der chronischen Pankreatitis
sind uns bisher bekannt?“
Nach
erneuter Beurteilung der Anamnese und Vergleich mit den demographischen
Daten über das Krankheitsbild wird offensichtlich, dass häufigste
Ursache (Alkoholabusus 80%) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
ausscheidet. Ein Alkoholkonsum von durchschnittlich 8-10 Jahren
führt in 0,9 - 9,5% der Patienten zur akuten Pankreatitis.
Für eine chronische Pankreatitis erwarten wir einen Alkoholkonsum
von >100mg/d über >10 Jahre. Selbst wenn wir annehmen,
die Patientin sagt nicht die Wahrheit ist der zeitliche Rahmen nicht
passend.
Wir
nehmen daher seltenere Ursachen an:
Medikamentös:
die Patientin nimmt keine Medikamente und wir glauben ihr.
Bei Anlagestörungen, z.B Pankreas divisum:
--> Hinweise auf Pankreas divisum im CT
Hyperkalziämie: kein Hinweis im Labor
Hypertrigliceridämie: kein Hinweis im Labor
Mukoviszidose: pulmonale Symptomatik wäre
in ihrem Alter bereits manifest.
Immunprozess: eher unwahrscheinlich, wir müssten
spezielle Untersuchungen anfordern.
Idiopathisch (10-20%): das wäre eine Ausschlussdiagnose
Natürlich
haben wir den CT Befund des Pankreas Divisum nicht übersehen,
es soll jedoch der Gedankengang rekapituliert werden. Wir wissen,
dass akzessorische Gänge eine ungünstige Drainagesituation
an der Minorpapille aufweisen. Sekretstau kann eine Pankreatitis
verursachen und sekundär zu narbigen Stenosen des Ganges führen,
die den Krankheitsprozess aufrechterhalten.
Therapeutisch
kommt in erster Linie eine endoskopische Sanierung des Pankreasgangs/Papillenspaltung
in Frage, eventuell mit Stenteinlage.
Learning objectives
- reviewing
DDx of periumbilical pain
- Assessment
of elevated Amylase/Lipase
- reviewing
DDx of the cause for chronic pancreatitis
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